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Neurowissenschaft: Ohne Emotionen geht es nicht

Quelle: Ben Schwan   https://www.heise.de/

 

Der Hirnforscher Antonio Damasio hat sich im Interview mit Technology Review über Gefühle als biologischen Forschungsgegenstand geäußert. Der Mensch unterschätze Gefühle noch immer.

Antonio Damaso, renommierter Professor für Hirnforschung an der University of Southern California, hat im Interview mit Technology Review über aktuelle Erkenntnisse in den Neurowissenschaften der letzten Jahre gesprochen. Die Wichtigste: Jahrzehntelang hatten Biologen Emotionen und Gefühle als uninteressant abgetan. Damaso zeigte, dass sie jedoch für lebenserhaltende Prozesse fast aller Lebewesen von zentraler Bedeutung sind. „Das Besondere an uns Menschen ist, dass wir grundlegende Prozesse zur Regulierung des Lebens nutzen, darunter eben auch Emotionen und Gefühle. Aber wir verbinden sie mit geistigen Prozessen in einer Art, dass wir eine neue Welt um uns herum schaffen“, so der Forscher.

Es gebe „gewisse Handlungsprogramme“, die offensichtlich in unseren Organen und im Gehirn unablässig installiert sind, damit wir überleben, wachsen, uns fortpflanzen und am Ende sterben könnten. „Es ist die Welt der Regulierung von Lebensfunktionen – Homöostasis genannt -, die mich so interessiert und die einen weites Feld von körperlichen Zuständen umfasst.“

Als Beispiel nannte Damaso ein Handlungsprogramm für Durst, „dass einen dazu bringt, nach Wasser zu suchen, wenn man dehydriert ist“. Auch existiere ein Handlungsprogramm für Furcht, wenn man bedroht wird. „Wird das Programm gestartet und hat das Gehirn die Möglichkeit, ein Abbild des körperlichen Erlebens zu erstellen, führt dies dazu, dass ein geistiger Zustand auftaucht.“ Im Aktionsprogramm für Furcht passierten verschiedene Dinge im Körper, die die Person veränderten, „und sie in einer bestimmten Weise verhalten lassen, ob ich will oder nicht“.

Für die Zukunft ist Damaso optimistisch, dass es mehr Behandlungsmöglichkeiten für psychische und neurologische Krankheiten geben könnte – insbesondere auch chirurgische. „Insofern wir die neuronalen Prozesse hinter diesen komplexen Funktion verstehen können, gibt es immer auch die Möglichkeit, einzugreifen.“ Der Mensch greife jetzt schon die ganze Zeit in Hirnfunktionen ein: mit Nahrung, mit Alkohol, mit Medikamenten. „Deshalb sind chirurgische Eingriffe keine große Neuheit an sich. Neu ist, diese Eingriffe so sauber zu platzieren, dass sie zielgerichtet sind.“